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Titel: |
Renate Höllerer-Hammond: Ölbilder und Zeichnungen 1984- 1989: Katalog, Ausgabe 1 |
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Autoren: |
Renate Höllerer-Hammond, Wolf Eismann, Galerie am Theater (Fürth, Bayern) |
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Veröffentlicht: |
1989 |
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Länge: |
52 Seiten |
Βöse Bilder
Wolf Eismann über die Bilder von Renate Höllerer-Hammond
Spätestens dann, wenn gewisse ehrenwerte Herren an einem ihrer Herrenabende diesen Katalog durchblättern sollten, werden sie sich zum ersten Mal erkennen. Sie blicken in einen Zerrspiegel und müssen hilflos mit anschauen, wie Renate Höllerer-Hammond ihnen die bislang schützenden Hosen hinunterzieht. Ihre Körper: wenig dekorativ, aber dafür entlarvend wahrhaftig. Bis zur Lächerlichkeit stolz auf sich selbst und auf ihr wabblig-fleischiges Geschmeide blicken sie feist und rosa in ihr Ebenbild. Und ihre Überheblichkeit gefriert im selben Augenblick zu Posen, die sie endgültig bezwingbar machen.
Mannsbilder sind Mittelpunkt der Arbeiten von Renate Höllerer-Hammond. Sie saufen sich dumm, sie erheben Pokale zur Ehrenrettung ihrer Potenz, sie üben sich in rauer Geselligkeit – denn meistens treten sie in Rudeln auf. Dann wissen sie, was sie wollen. Lautstärke ersetzt Geschicklichkeit, Spontaneität braucht keine Intelligenz.
Was sieht die Künstlerin in ihren vermeintlichen Gegnern, den Objekten ihrer obskuren Begierde? Ist sie eine Feministin, Männerhasserin gar? Mit beißender Ironie, wenn nicht mit wütendem Zynismus scheint sie die gebrochenen Gestalten einer typischen Männlichkeit auf Papier und Leinwand zu bannen. Aus dem vor Blähungen kneifenden Bauch direkt ins Handgelenk – und dann frei heraus. Zügig und unbeherrscht, sollte man meinen.
Wenn man Renate Höllerer-Hammond jedoch gegenübertritt, glaubt man seinen Augen nicht zu trauen: Sie ist nicht so, wie man sich das leichtfertig aufgrund ihrer aggressiven Arbeiten vielleicht vorzustellen wünscht. Sie ist eine zarte, eher stille Person – wahrscheinlich mit innerem Biss, aber freundlich und entgegenkommend. Und sie lächelt – bevor sie ihr Gegenüber im Gedanken seziert. Keine Angst: Sie benutzt den Pinsel, nicht das Skalpell. Wie ein Chirurg jedoch ist sie vorsichtig, bedächtig, sehr überlegt und im Detail präzise. Sie lässt sich Zeit. Sie braucht während der Arbeit die Ordnung des Augenblicks, die fast zimperlich korrekte Anordnung ihrer Utensilien, der Materialien zu einem Stillleben mit Staffelei, in dem sie ihre respektlosen Gehässigkeiten Strich um Strich erschafft. Ganz eigene Welten. Ihre persönliche Sichtweise: ein minuziöser Akt.
Die Bilder von Renate Höllerer-Hammond richten sich in erster Linie nicht an jene Betrachter, die um ihren eigenen geschliffenen Kunstverstand bemüht und deshalb meistens besorgt sind. Vielmehr sind sie für jene Leute bestimmt, die erschreckt – erfreut oder angeekelt – etwas (von sich oder den anderen) wieder erkennen wollen. Eines ist immer sicher: Die Sujets lassen niemanden kalt. Das ist das Entscheidende, oder?
Renate Höllerer-Hammond orientiert sich an realen Bildern. Es gibt keine Abstraktion, die liegt dann eher in der subtilen und deshalb umso perfideren Überzeichnung des ausgewählten Objekts. Ihre Mittel sind die der Satire und stehen eindeutig in der Tradition der Neuen Sachlichkeit, die nach dem Ersten Weltkrieg in Deutschland als Gegenbewegung zum Kubismus und Expressionismus entstand.
Die wichtigsten Vertreter dieser Richtung: George Grosz und Otto Dix, die damals mit ätzenden sozialkritischen und politischen Bildern die Großstadtwelt – Armut, Gewalt, Krieg und Tod – bitter-aggressiv in künstlerisch überzeichnete Szenen setzten. In den Bildern von Renate Höllerer-Hammond entdeckt man zweifellos eine Verwandtschaft zu den Gestalten der berühmten Vorbilder. Darüber hinaus aber dennoch eine höchst eigene Handschrift. Bei ihr stehen die Menschen und deren absurd-selbstgefälliges Verhalten im Zentrum der Arbeiten.
Die Umgebung ist fast immer ein zurückweichender, einfarbiger Hintergrund, vor dem die Figuren mit sich allein agieren. Sie stehen für sich selbst. Bis zur Humorlosigkeit witzig und brutal. Und immer bleibt beim Betrachten dieser schrecklichen Bilder die leise Befürchtung, dass nichts in ihnen wirklich übertrieben ist, sondern pures fotografisches Abbild unserer eigenen, verborgenen Seiten. Legen Sie den Katalog für einen Moment aus der Hand und schauen Sie in den Spiegel. Was sehen Sie jetzt? – Ein böses Bild, das man sich von Ihnen gemacht hat, nicht wahr? Wirklich nicht?